Ideengeschichte, Theorie und Praxis der Solidarität
Institution
Business, Economics, and Social Sciences
Department
Sozialwissenschaften
Teaching staff
Dr. Andreas Busen
SDG-topic cluster
Empowerment
Comments/contents
Lehrveranstaltungstitel (englischsprachige Übersetzung): The History, Theory and Practice of Solidarity In der politischen Alltagssprache ist die Rede von Solidarität allgegenwärtig. Täglich erreichen uns Aufrufe zur Solidarität - mit so unterschiedlichen Gruppen wie den Opfern von Naturkatastrophen, Flüchtlingen, politisch Unterdrückten oder auch den Opfern der Finanzkrise. Menschen solidarisieren sich aber auch im gemeinsamen Kampf - gegen sexuelle Diskriminierung, Studiengebühren oder Stuttgart 21. Die Liste lässt sich fortsetzen. Lesen Sie bis zum Beginn des Seminars regelmäßig Zeitung und/oder verfolgen Sie die aktuellen Nachrichten im Internet oder anderen Medien und notieren Sie sich, wie häufig und in welchem Kontext von Solidarität gesprochen wird (ganz ernsthaft!) - Sie werden überrascht sein! In der zeitgenössischen politischen Theorie spielt Solidarität dagegen fast keine Rolle. Gerade in normativen Theorien der Politik nehmen zwar Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Demokratie eine unverändert zentrale Stellung ein, Solidarität wird hier aber mit wenigen Ausnahmen nicht thematisiert. Ist dies darauf zurückzuführen, dass Solidarität möglicherweise im Bereich der politischen Praxis zu verorten ist, aber eben kein eigenständiges normatives Konzept darstellt? Oder ist, wie in der Literatur verschiedentlich gemutmaßt wird, Solidarität ein gewissermaßen überholtes Konzept, das im Kontext vormoderner, homogener Gemeinschaften seine Berechtigung hatte, in modernen, pluralistisch verfassten Gesellschaften aber keine Rolle mehr spielt oder gar spielen darf? Oder ist Solidarität als ein Gefühl sozialen Zusammenhalts zwar ein gesellschaftliches Phänomen, das aber eben dem Bereich des Sozialen, nicht aber der Politik bzw. dem Politischen zuzuordnen ist? Auch ein Blick in die Geschichte von Solidarität als Begriff und Konzept scheint hier zunächst nur wenig Klärung zu bieten. Bemerkenswert ist sicherlich, dass Solidarität als sozialer und politischer Begriff überhaupt erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Erscheinnung tritt und insofern eindeutig zum begrifflichen Instrumentarium der Moderne gehört. In Reaktion auf welche spezifisch modernen Phänomene und Entwicklungen er allerdings ist damit noch keineswegs geklärt. Und tatsächlich finden sich in der Ideengeschichte der Solidarität eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Verwendungsweisen - woraus die gängige Einschätzung resultiert, Solidarität sei schon immer ein umkämpfter und in sozialen und politischen Kämpfen instrumentell eingesetzter Begriff gewesen, der deshalb aber gerade keinen begrifflichen Kern aufweist. Bedeutet das nun aber für eine kritische Praxis, das sie zwar nach wie vor sehr wohl auf den Solidaritäts-Begriff zurückgreifen , aber eben nicht beanspruchen kann, auf 'wahre' Solidarität zu verweisen (oder umgekehrt 'falsche' Anrufungen von Solidarität zu kritisieren)? Oder ist doch die Ideengeschichte und Theorie der Solidarität zu überdenken? Auch wenn diese Fragen im Rahmen des Seminars sicher nicht endgültig zu klären sind, soll doch durch die hier angedeuteten Bestandsaufnahmen insbesondere das Verhältnis von Solidarität in Theorie und Praxis ausgelotet und kritisch beleuchtet werden. Gerade im Sinn einer konstruktiven Verknüpfung von Theorie und Praxis sollen dabei sowohl politiktheoretische Positionen und Debatten rezipiert und erschlossen als auch historische wie aktuelle Fälle von politischer Solidarität und Solidarisierung im Rahmen politischer Kämpfe um Gleichberechtigung, Anerkennung, etc. diskutiert werden.
Learning objectives
- Kenntnis unterschiedlicher - historischer wie zeitgenössischer - Verständnisse sowie theoretischer Konzeptionen von Solidarität
- Fähigkeit zur kritischen Lektüre und Diskussion von politiktheoretischen Texten
- Fähigkeit zur Verknüpfung abstrakter Theorien und praktischer Fragen
- Fähigkeit zur Entwicklung und Verteidigung eigener Standpunkte zu zentralen theoretischen Problem- und Fragestellungen
- systematische Perspektiven auf das Zusammenspiel von Politik, Ökonomie und Gesellschaft
Didactic concept
Als zentrales Moment für die Erschließung von Solidarität fungiert im Seminar das Verhältnis von Theorie und Praxis. Dementsprechend werden in den Doppelsitzungen des Seminars stets auch Aspekte der sozialen und politischen Praxis einbezogen und diskutiert - sei es als Beispiele für Solidarität oder als Arenen des Kamps um die Bedeutung von Solidarität. Die zu bildenden Arbeitsgruppen sind dabei in erster Linie für die Auswahl, Erschließung und Vorbereitung dieser Beispiele aus der Praxis verantwortlich. Weil dies relativ aufwändig ist, müssen alle Arbeitsgruppen - unabhängig von 'ihrem' jeweiligen Sitzungstermin - damit unbedingt bereits in den ersten Semesterwochen beginnen. Rechnen sie für die Arbeit in der Arbeitsgruppe mindestens 40 Zeitstunden ein.
Semester
SoSe 19
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Mittelweg 177
20148 Hamburg
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